Der Handelskrieg hat begonnen

 

„Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“

Carl von Clausewitz, preußischer General und Militärtheorethiker

 

Die einen nennen es Handelskonflikt, die anderen Handelszwist, einige Börsenkommentatoren verwenden auch den Begriff Handelsstreit. All diesen wohlwollenden, die strapazierten Nervenkostüme der Anleger vermeintlich beruhigenden Euphemismen zum Trotz existiert nur ein zutreffender, die handelspolitische Lage korrekt bezeichnender Begriff, und der lautet schlicht und einfach Handelskrieg.

Wenn die USA Strafzölle auf Stahl und Aluminiumimporte erheben, wenn China im Gegenzug Zölle auf landwirtschaftliche Produkte einhebt, die USA als Antwort darauf Strafzölle auf chinesische Importe im Umfang von 50 Milliarden Dollar ankündigen, welche China wiederum mit Zöllen auf amerikanische Exporte im selben Volumen beantwortet, als Reaktion darauf in einer weiteren Eskalationsstufe Zölle auf chinesische Waren im Volumen von 200 Milliarden Dollar eingehoben werden, dann ist längst keine spitzfindige semantische Debatte zur Begriffsdeutung mehr notwendig. Der Handelskrieg hat bereits begonnen, er wurde von beiden Seiten offen erklärt und befindet sich in einer Eskalationsspirale, deren volkswirtschaftliche Auswirkungen für beide Seiten erheblich sein können.

Langfristig betrachtet mag die Zielsetzung aller Parteien durchaus ein Abbau von Handelshemmnissen und Restriktionen aller Art sein, die kurzfristige Stoßrichtung ist jedoch eindeutig definiert: Keiner der bedeutendsten Akteure (China, EU und USA) möchte Schwäche offenbaren und als erster von seiner abgesteckten Verhandlungsposition zurückweichen. Spieltheorethisch betrachtet bewegen sich die handelnden Parteien somit auf ein Gefangenendilemma zu, in welchem der Einzelne sich dazu gezwungen sieht, eine Handlungsweise zu wählen, die insgesamt betrachtet suboptimal ist. Zölle müssen mit Gegenzöllen, Handels- und Investitionsbeschränkungen wiederum mit restriktiven Maßnahmen der Gegenseite beantwortet werden. In bilateralen Konstellationen wäre es relativ gesehen einfacher, zu einer gesichtswahrenden Verhandlungslösung zu kommen, die multilateralen Auseinandersetzungen, die inzwischen die Handelspolitik definieren, machen Kompromisslösungen um ein Vielfaches komplizierter.
Anleger müssen in den kommenden Wochen und Monaten daher mit erheblichen Kursturbulenzen an den internationalen Börsen rechnen. Zumindest bis zu den amerikanischen Kongresswahlen Anfang November dürfte es nahezu unmöglich sein, die Handelskonflikte mittels einer gesichtswahrenden Verhandlungslösung zu entschärfen. Investoren sollten ihrem Aktienportfolio daher Werte beimischen, die weniger stark vom Wachstum des Welthandels abhängig sind, die stabile und konjunkturunabhängige Umsätze erzielen und keine komplexe, globale Wertschöpfungskette aufweisen.

Im folgenden Abschnitt möchten wir Ihnen zwei europäische Aktien vorstellen, die Value Investoren auch im Falle eines ausgedehnten und weiter eskalierenden globalen Handelskrieges eine attraktive Investmentgelegenheit bieten. Es handelt sich um zwei Blue Chips, die von möglichen anhaltenden handelspolitischen Konflikten Europas mit seinem traditionellen Handelspartner USA und mit der aufstrebenden Handelsnation China kaum oder nur marginal betroffen sein werden.

 

Freenet AG (ISIN DE000A0Z2ZZ5)

Die Freenet AG ist der führende netzunabhängige deutsche Telekomdienstleister. Unter der Marke mobilcom-debitel bietet Freenet seinen deutschen Kunden preislich attraktive Mobilfunkverträge, zusätzlich offeriert das Unternehmen zahlreiche Wertkartentarife für Kunden, die sich nicht vertraglich binden möchten.

Seit dem Jahr 2016 tritt Freenet in einem völlig neuen Geschäftsfeld auch als Anbieter von Digital TV Dienstleistungen auf, sowohl im terrestrischen Fernsehen als auch mittels IPTV. Die Minderheitsbeteiligung an der schweizerischen Telekomgesellschaft Sunrise Communications liefert als Finanzbeteiligung attraktive Dividendenzahlungen an den Freenet Mutterkonzern ab. Freenet ist an Sunrise mit einer Quote von etwa 24 Prozent beteiligt, die Anteile wurden im Jahr 2016 zu rund 73 CHF pro Aktie erworben. Diese Finanzbeteiligung ist gemessen am aktuellen Börsenwert von Sunrise rund 770 Millionen Euro wert, ein erheblicher Vermögenswert, den Freenet im Falle eines attraktiven Kaufangebotes durchaus gewinnbringend veräußern könnte.

Was die Freenet Aktie für Value Anleger so attraktiv macht, sind die stabilen, planbaren Umsatzerlöse aus dem Telekomgeschäft, verbunden mit den Wachstumsperspektiven der Digital TV Sparte. Die aktionärsfreundliche Dividendenpolitik des Vorstandes stellt sicher, dass im Durchschnitt etwa 60 Prozent des erwirtschafteten Barmittelzuflusses an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Für das abgelaufene Geschäftsjahr erhielten die Anleger somit eine Dividende von 1,65 Euro pro Aktie. Geht man davon aus, dass Freenet seine Dividendenzahlungen auch in Zukunft zumindest stabil hält, ergibt sich beim derzeitigen Aktienkurs von rund 23 Euro eine erwartete Dividendenrendite von über 7 Prozent.

Der Freenet Vorstand rechnet in seiner Unternehmensprognose damit, im laufenden Geschäftsjahr einen Barmittelzufluss (FCF) von etwa 300 Millionen Euro erwirtschaften zu können. In dieser Prognose sind im Rahmen der Sunrise Beteiligung vereinnahmte Dividendenerträge nicht enthalten. Nach der jüngsten Kurskorrektur notiert die Freenet Aktie auf einem attraktiven Einstiegsniveau, der Börsenwert von knapp unter 3 Milliarden Euro ist für ein Unternehmen in einem risikoarmen Geschäftszweig mit gut planbaren Erträgen keinesfalls zu teuer.

 

Verbund AG (ISIN AT0000746409)

Die Verbund AG ist der führende österreichische Energieversorger und einer der bedeutendsten europäischen Erzeuger von Strom aus Wasserkraft. Neben den Wasserkraftwerken investiert das Unternehmen erhebliche Beträge in den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, vor allem Wind- und Wärmekraft. Wie die deutschen Energieversorger E.ON und RWE musste auch die österreichische Verbund AG im Zuge der Energiewende mit erheblichem Gegenwind kämpfen. Europaweit stark sinkende Strompreise sorgten im Kraftwerksgeschäft für sinkende Gewinnmargen, der Ausbau der erneuerbaren Energien führt an sonnen- und windreichen Sommertagen zu einem deutlichen Überangebot am Strommarkt. Nach der Trennung von außereuropäischen Beteiligungen und der noch stärkeren Fokussierung auf den Bereich Wasserkraft nimmt die Verbund AG inzwischen eine attraktive Nischenposition unter den europäischen Energieversorgern ein. Die Nettoverschuldung konnte im letzten Geschäftsjahr deutlich reduziert werden, gleichzeitig tätigt das Unternehmen hohe jährliche Investition in seine Anlagen, ein potenzieller Gewinntreiber in den kommenden Jahren. Das Unternehmen konnte seine Dividende im laufenden Geschäftsjahr erstmals seit langer Zeit wieder steigern, Anleger erhalten aktuell eine Dividendenrendite von rund 1,5 Prozent. Die Nettogewinne befinden sich derzeit noch auf einem relativ bescheidenen Niveau, dürften aber bereits im Geschäftsjahr 2018 deutlich ansteigen und somit Raum für signifikante Dividendenanhebungen bieten.