Warren Buffett, das Orakel aus Omaha
„If you aren’t willing to own a stock for ten years, don’t even think about owning it for ten minutes.“
Warren Buffett, erfolgreichster Value Investor unserer Zeit
Jedes Jahr pilgern tausende und abertausende Investoren, Bewunderer und glühende Verehrer der Börsenlegende Warren Buffett nach Omaha, Nebraska, um den Ausführungen ihres Meisters zu lauschen. Warren Buffett ist der Hohepriester der Börsenwelt und seine Rede gilt seinen Jüngern gleichsam als Sonntagspredigt, deren Inhalt voller Weisheiten und wertvoller Erfahrungsschätze steckt.
Was macht diesen bodenständigen, stets bescheidenen und humorvollen Mann jedoch zu einer lebenden Legende, was unterscheidet ihn von der Vielzahl der übrigen professionellen Fondsmanager und Finanzinvestoren? Die Investmentphilosophie Warren Buffetts besticht durch ihre Einfachheit, ihre intellektuelle Klarheit und Scharfsinnigkeit. Versuchen wir doch einfach, die Börsenwelt mit Warren Buffetts Augen zu betrachten, verabschieden wir uns von der gewohnten und oftmals lieb gewonnenen Perspektive:
Buffett sieht die Börse nicht als einen Markt, an dem eine Reihe unterschiedlicher Wertpapiere zu ständig wechselnden Preisen gehandelt wird. Wenn er eine Transaktion tätigt, so versteht er sich in der Rolle eines Investors, der einen Anteil an einem Unternehmen erwirbt, und nicht eine bloße Aktie. Nun erscheinen alle weiteren Gedankengänge, alle folgenden Überlegungen und Aktionen, völlig logisch, und vor unserem geistigen Auge baut sich langsam das intellektuelle Gebäude des Value Investing im Stile Warren Buffetts auf.
Da Buffet sich in der Rolle eines Gesellschafters sieht, stellt er folgende Frage an die Spitze seiner Anlagekriterien: Welche Unternehmen können derzeit, legt man die aktuellen Börsenkurse als Maßstab zu Grunde, unter ihrem wahren, dem intrinsischen Wert erworben werden? Dies führt den Anleger sogleich zur nächsten, der alles entscheidenden Frage: Was ist der wahre, intrinsische Wert eines Unternehmens? Er lässt sich nicht durch einfache Indikatoren, wie das Kurs/Buchwert oder das Kurs/Gewinn Verhältnis ableiten, er ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit anderen Branchenvertretern. Der intrinsische Unternehmenswert war, ist und wird stets nur eine einzige Zahl sein: Die Summe der Barmittelzuflüsse, die das jeweilige Unternehmen für seine Eigentümer generiert, mit einem adäquaten Zinssatz auf den Gegenwartswert diskontiert.
Hierbei ergibt sich nun folgende Schwierigkeit: Welchen Zinssatz sollte der Anleger für seine Bewertung heranziehen, welche Risikoanpassungen darf er bei der Höhe des gewählten Diskontsatzes vornehmen? Warren Buffetts Antwort ist wie immer bestechend einfach: Er verwendet zur Abzinsung der geschätzten Barmittelzuflüsse die Marktrendite langlaufender (in der Regel 10jähriger) Staatsanleihen. Dieser Zinssatz ist allgemein bekannt und kein durch theoretische Annahmen und Modellschätzungen erzeugter, risikoadjustierter Wert. Die Risikoanpassung nimmt Buffett in einem zweiten Schritt vor, in dem er den geschätzten Gegenwartswert der Geldflüsse um eine Sicherheitsmarge korrigiert und somit nach unten anpasst. Diese Sicherheitsmarge ist abhängig von der Natur des jeweiligen Unternehmens, sie ist keine objektiv feststellbare und messbare Größe, sondern muss vom Anleger mit Hilfe seiner Erfahrung und unter Berücksichtigung seiner persönlichen Risikopräferenzen geschätzt werden.
Hat der Value Investor nun den Barwert der von seinem Unternehmen zu erwartenden Geldflüsse errechnet und die Risiken durch die Wahl einer adäquaten Sicherheitsmarge ausreichend berücksichtigt, stellt sich nun die Frage nach der Zusammenstellung eines idealen Investmentportfolios. Warren Buffetts Antwort lautet wie folgt: Diversifikation ist wichtig, doch was die meisten Anleger ihr Eigen nennen ist kein Portfolio, sondern vielmehr ein Zoo!
Es ist keinesfalls falsch, sein Vermögen im Hinblick auf die Branchenzugehörigkeit und die geographischen Verhältnisse breit zu streuen, doch sollte man hierbei mit Augenmaß und mit Hausverstand vorgehen: Wenn Pfizer dem Value Investor als ideales Pharmainvestment erscheint, wozu sollte er denn Novartis oder Roche Aktien in seinem Portfolio halten? Wenn General Electric das beste Industrieunternehmen der Welt ist, wozu befinden sich dann ebenfalls Siemens Aktien in seinem Depot?
Diese Überlegungen führen zu einem konzentrierten Fokus Portfolio, in dem das veranlagte Vermögen zwar gestreut ist, jedoch in einem weitaus geringeren Ausmaß als dies üblicherweise der Fall ist. Ein Fokus Portfolio sollte nicht weniger als 5, doch keinesfalls mehr als 20 bis 25 Werte umfassen. Dies hat mehrere Vorteile: Der Anleger kann die Unternehmen stets im Auge behalten und er kennt seine Investments wesentlich genauer als ein Investor, in dessen Depot sich 100 oder mehr Aktien befinden. Und das Wichtigste zum Schluss: Nur einem Value Anleger, der seine Geldanlage auf wenige Werte konzentriert kann das gelingen, wonach alle Jünger Warren Buffetts streben, und was doch kaum einer von ihnen zu erreichen vermag: Regelmäßig eine Rendite zu erzielen, die deutlich über derjenigen des Aktienmarktes und der gängigen Aktienindizes liegt.